Freitag, 25. Januar 2008
Wortmißbrauch, Folge 1
iris-wuhei, 10:04h
ASOZIAL
Eine meist ohne Wissen um und ohne Verständnis für die historische Herkunft des Wortes gebrauchte Bezeichnung. Der Begriff wurde Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts im Umfeld des beginnenden Nationalismus in Deutschland geprägt, gleich zu Beginn mit dem Vorhaben, damit alle Menschen, die diesem kranken Gedankengut im Wege waren, mit einem auch den einfachsten Hirnen leicht einprägsame Schlagwort zu diskreditieren, dann zu eliminieren und sich im Sinne der arischen Sache deren Hab und Gut anzueignen. Der Nationalsozialist Heydrich beauftrage die Ausarbeitung eines „Gemeinschaftsfremdengesetzes“, in dem Zwangssterilisierung und Schutzhaft für alle in den Augen der Nazis als „asozial“ Eingestuften vorgesehen waren. Als „Gemeinschaftsfremde“ galten „Arbeitsscheue“, „gewohnheitsmäßige Schmarotzer“, „Landesverräter“, „Rassenschänder“, „sexuell Hemmungslose“, „Süchtige“, „Trinker“, „Prostituierte“, „Abtreiberinnen“ und „Straffällige“. Die Jüngeren (bis zum 17. Lebensjahr) wurden im Rahmen der „Kindereuthanasie“ getötet. Der Großteil der als „asozial“ Eingestuften wurde durch den SS- und Polizeiapparat ermordet, also durch Inhaftierung in KZs und „Vernichtung durch Arbeit“. Auch in der psychiatrischen Anstalt Am Steinhof in Wien wurde eine Arbeitsanstalt für „Asoziale“ eingerichtet. Dort wurden „asoziale“ Mädchen und Frauen zwangssterilisiert.
Aber auch das denunzieren unliebsamer Personen durch Nachbarn als „asozial“ wurde gefördert und belohnt. Und wenn heute jemand schnell mal acht- und hirnlos und asozial sagt, kommt er nach meiner Erfahrung meist aus einem sehr rechten, häufig ehemals „deutschdeutschen“ Umfeld.
Für meine halbjüdische Großmutter war dieses Wort immer verpönt. Ein Bettler war immer ein Mensch, der gestrauchelt war und dem man vielleicht doch noch helfen konnte, ein Süchtiger war immer ein Kranker, jemand, der eine andere Religion oder Hautfarbe hatte, wurde so, wie er war toleriert. Aber niemand von all diesen Menschen wurde als asozial bezeichnet.
Für mich, geprägt vom nichtchristlichen Humanismus meiner Großmutter, ist auch heute noch die Verwendung dieses Wortes schwierig, ich verwende es nicht, um die Unfähigkeit zum Leben in einer Gemeinschaft zu bezeichnen, das ist zu verallgemeinernd. Man kann sehr wohl am Rande der Gesellschaft leben und dennoch alle ihre Regeln einhalten, man muß nicht überall mitmachen und kann dennoch vielen Menschen etwas Positives zu sagen haben, man muß nicht Jedermanns Liebling sein, aber man kann ehrlich sein und dennoch niemanden verletzen – wenn die Menschen die Wahrheit akzeptieren könnten.
Konkret ist für mich jemand asozial, der sich auf Kosten anderer bereichert, sich ein Amt erschleicht, der lügt, betrügt, stiehlt und verleumdet; jemand, der Kinder und Alte vernachlässigt, der Schwache mißbraucht und Gewalt anwendet.
imjc
Eine meist ohne Wissen um und ohne Verständnis für die historische Herkunft des Wortes gebrauchte Bezeichnung. Der Begriff wurde Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts im Umfeld des beginnenden Nationalismus in Deutschland geprägt, gleich zu Beginn mit dem Vorhaben, damit alle Menschen, die diesem kranken Gedankengut im Wege waren, mit einem auch den einfachsten Hirnen leicht einprägsame Schlagwort zu diskreditieren, dann zu eliminieren und sich im Sinne der arischen Sache deren Hab und Gut anzueignen. Der Nationalsozialist Heydrich beauftrage die Ausarbeitung eines „Gemeinschaftsfremdengesetzes“, in dem Zwangssterilisierung und Schutzhaft für alle in den Augen der Nazis als „asozial“ Eingestuften vorgesehen waren. Als „Gemeinschaftsfremde“ galten „Arbeitsscheue“, „gewohnheitsmäßige Schmarotzer“, „Landesverräter“, „Rassenschänder“, „sexuell Hemmungslose“, „Süchtige“, „Trinker“, „Prostituierte“, „Abtreiberinnen“ und „Straffällige“. Die Jüngeren (bis zum 17. Lebensjahr) wurden im Rahmen der „Kindereuthanasie“ getötet. Der Großteil der als „asozial“ Eingestuften wurde durch den SS- und Polizeiapparat ermordet, also durch Inhaftierung in KZs und „Vernichtung durch Arbeit“. Auch in der psychiatrischen Anstalt Am Steinhof in Wien wurde eine Arbeitsanstalt für „Asoziale“ eingerichtet. Dort wurden „asoziale“ Mädchen und Frauen zwangssterilisiert.
Aber auch das denunzieren unliebsamer Personen durch Nachbarn als „asozial“ wurde gefördert und belohnt. Und wenn heute jemand schnell mal acht- und hirnlos und asozial sagt, kommt er nach meiner Erfahrung meist aus einem sehr rechten, häufig ehemals „deutschdeutschen“ Umfeld.
Für meine halbjüdische Großmutter war dieses Wort immer verpönt. Ein Bettler war immer ein Mensch, der gestrauchelt war und dem man vielleicht doch noch helfen konnte, ein Süchtiger war immer ein Kranker, jemand, der eine andere Religion oder Hautfarbe hatte, wurde so, wie er war toleriert. Aber niemand von all diesen Menschen wurde als asozial bezeichnet.
Für mich, geprägt vom nichtchristlichen Humanismus meiner Großmutter, ist auch heute noch die Verwendung dieses Wortes schwierig, ich verwende es nicht, um die Unfähigkeit zum Leben in einer Gemeinschaft zu bezeichnen, das ist zu verallgemeinernd. Man kann sehr wohl am Rande der Gesellschaft leben und dennoch alle ihre Regeln einhalten, man muß nicht überall mitmachen und kann dennoch vielen Menschen etwas Positives zu sagen haben, man muß nicht Jedermanns Liebling sein, aber man kann ehrlich sein und dennoch niemanden verletzen – wenn die Menschen die Wahrheit akzeptieren könnten.
Konkret ist für mich jemand asozial, der sich auf Kosten anderer bereichert, sich ein Amt erschleicht, der lügt, betrügt, stiehlt und verleumdet; jemand, der Kinder und Alte vernachlässigt, der Schwache mißbraucht und Gewalt anwendet.
imjc
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margot,
Freitag, 25. Januar 2008, 11:14
*schluck*
jetzt weiss ich, warum mir dieses wort immer "gesträubtes nackenhaar" verursacht … du hast nicht erwähnt, dass auch die kinder der "asozialen" "behandelt" wurden … gerade am spiegelgrund z.b. … stichwort meine liebe republik, FILMTIP! => (http://www.meine-liebe-republik.at/)
tja, wiedermal sagt ein wort mehr über den aus, der es verwendet, als über den, den es "treffen soll" …
tja, wiedermal sagt ein wort mehr über den aus, der es verwendet, als über den, den es "treffen soll" …
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aij,
Dienstag, 29. Januar 2008, 12:15
chapeau! gut gesprochen
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