W U H E I - WHIPPET- BLOG: 2007-03-27
Dienstag, 27. März 2007
Liebe Kinder, es ist Zeit,
Euch ein Märchen zu erzählen. Es ereignete sich in grauer Vorzeit, als es noch üblich war, einander möglichst Gutes zu tun, also in der „Guten Alten Zeit“.

Es waren 2 Handwerker, die lebten in verschiedenen Dörfern. Der eine schon etwas älter, galt als belesen und klug und gab seine Erfahrungen immer wieder an jüngere Männer weiter, er war so etwas wie ein Lehrer oder ein Lehrherr, ja, in seinem Beruf war er das wohl auch. Eines Tages wollte auch der jüngere Handwerker Ratschläge, er dachte, wenn alle anderen vom Alten Nutzen hätten, warum er nicht auch. Und er begann, dem alten Mann täglich zu schreiben und Fragen zu stellen. Der alte Mann war geschmeichelt und vermutlich durch sein Alter nicht mehr so vorsichtig wie ehedem. Also, er schrieb jeden Tag er zurück und wurde nicht müde, sein Wissen weiter zu geben; und nicht nur sein Wissen, sondern etwas viel Kostbareres, seine Freundschaft.

Wie gesagt, er war unvorsichtig, ja, er war sogar so dumm, daß er nicht einmal bemerkte, daß der junge Mann begann, ihn auszunützen: er pries ihm in höchsten Tönen Getreide an, das einer seiner Verwandten anbaut: dieses Getreide, so sagte er, brächte nicht nur das allerfeinste Mehl, sondern viel mehr als alle anderen Getreidesorten und im nächsten Jahr würden aus jedem Korn, das man sich für die Saat aufgehoben hätte, mehrere Halme mit noch dickeren Ähren sprießen. Und er zeigte dem alten Mann so einen Halm. Naja, er war sicher schon vom letzten Jahr, aber er hatte obenauf drei Ähren, prall gefüllt mit festen Körnern. Und er ließ den alten Mann von einem Mehl kosten: und siehe, es war von besonderer Süße. Und das Korn sei so ungemein günstig obendrein!
Es kam, wie es kommen mußte, der alte Mann – ich sagte es schon, er war, er war dumm – ließ sich zu diesem Handel überreden und kaufte das Wunderkorn. Ja, liebe Kinder, Ihr wißt genau, was nun kam, denn ihr habt nie die guten alten Zeiten erlebt, in denen man ohne Vorsicht Freundschaft verschenkte. Richtig, der Alte Mann war furchtbar hereingelegt worden, das Korn brachte das schlechteste Mehl und im nächsten Jahr gab es dürre, unfruchtbare Halme, also war der ganze Handel eine scheußlich teure Sache für den alten Mann geworden. Als er sich an den Verwandten des Jungen Mannes wenden wollte, von dem das Getreide gestammt hatte, wandte sich der junge Mann wie ein getretener Wurm, er redete sich heraus, daß sein Verwandter in ein fernes Land gereist wäre und daß er leider, leider, leider nicht erreichbar wäre. Der Alte Mann fand nur heraus, daß der junge Mann sein Korn irgendwie zurückgeben konnte und so keinen Verlust hatte. Dies gab ihm schon irgendwie zu denken, aber schlau war er immer noch nicht und vertraute dem jungen Mann weiterhin. Und gab ihm weiterhin Freundschaft und Ratschläge.
Wie sehr dumm das war, zeigte sich, als der junge Mann plötzlich im Dorf des alten Mannes auftauchte und sich dort breit machte – seine Erfolge waren ihm zu Kopfe gestiegen, was ja nicht weiter verwunderlich ist, wenn man es solchen Leuten so leicht macht - Kinder, laßt Euch das eine Lehre sein! Der junge Mann machte trotz der vielen guten, freundlichen Ratschläge immer wieder Fehler und der alte Mann versuchte immer noch, ihm weiterhin zu raten, doch plötzlich änderte sich der Ton des jungen Mannes, als er im Dorf des alten Mannes durch sein freches Gerede in den Dorfrat aufgenommen wurde – anscheinend sind alle alten Menschen etwas dümmer als die jungen. Als der junge Mann eines Tages wieder einmal was fürchterlich Falsches sagte und der alte Mann ihm freundlich erklärte, wie und warum es falsch wäre, brach der junge Mann nicht nur den Kontakt zum alten Mann ab, nein er versuchte, dem alten Mann von da an zu schaden, wo er nur konnte. Er verleumdete ihn und sein gutes Handwerk, er zeigte ihn sogar im Dorfrat an – was aber zum Glück des alten Mannes nichts nützte, da dieser niemals gelogen, gestohlen oder andere hereingelegt hatte und dies alle wußten. Der junge Mann versuchte weiterhin, dem alten Mann mit viel Häme Schaden zuzufügen. Natürlich immer hintenherum im Geheimen und so, daß viele dachten, der alte Mann sei wirklich nicht mehr ganz richtig im Kopf.
So änderte der junge Mann mit seinem kranken Ehrgeiz die „Gute Alte Zeit“ unwiederbringlich und machte sie zu einer schlechten Zeit. Und wie es so ist mit den schlechten Dingen, haben sie mehr Bestand als die guten, denn die guten nimmt man als selbstverständlich hin und da sie bescheiden sind, bekommen die Schlechten die Oberhand.
Nun endlich ging dem alten Mann ein riesiges Licht auf, aber der Schaden war nun einmal geschehen und er konnte nicht so bald wieder einem Menschen vertrauen, besonders nicht denen, die ihm gar zu freundlich kamen. Er mußte in seinem Alter lernen, daß Hinterhältigkeit sich oft die Maske der Freundlichkeit umhängt, aber er lernte gut und war fürderhin auf der Hut.
Und wie das Leben so spielt – und es kann durchaus auch gerecht sein - er gewann neue, echte Freunde, die nicht immer freundlich waren, sondern auch ihm von Zeit zu Zeit, wenn es nötig war, die Wahrheit sagten.

Wie gesagt, es ist ein Märchen, aber auch aus Märchen können Kinder noch vieles lernen.

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